Party mit Pyrotechnik läuft aus dem Ruder
MANV (Massenanfall von Verletzten) Großübung von 191 Einsatzkräften und Klinikum Traunstein

„Aua, helft mir, es tut so weh“: Schmerzensschreie aus allen Richtungen, verwirrt herumlaufende Personen unter Schock und rund 32 Leicht-, Mittel- und Schwerverletzte, die an zum Teil schwer einsehbaren Orten liegen: Es war ein recht unübersichtliches und komplexes Bild, mit dem sich am Samstag die 191 Einsatzkräfte einer Großrettungsübung auf dem Gelände einer Baufirma in Wolkersdorf bei Traunstein konfrontiert sahen. Angenommen wurde, dass es bei einer Party mit Pyrotechnikeinsatz zu einer Explosion mit Massenpanik und vielen Verletzten gekommen war.
Ziel des fiktiven Unfallszenarios war es, das Zusammenspiel verschiedener Rettungskräfte des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) bei einem Massenanfall von Verletzten zu üben sowie deren organisierte Sichtung, Erstversorgung, Transport und Übergabe im Klinikum Traunstein. Die rund 35 Mitarbeiter des Klinikums Traunstein standen wiederum vor der Herausforderung, die im Minutentakt eintreffenden Verletzten zügig zu erfassen, die gesundheitliche Lage zu beurteilen und die passende Versorgung abzuwickeln. Zu versorgen waren dabei fünf Schwerverletzte, 13 nicht mehr gehfähige Verletzte, 14 Leichtverletzte sowie 13 weitere Personen. Als Übungsleiter koordinierten Robert Hauptenbuchner vom BRK-Kreisverband Traunstein und Dr. Maximilian Wiedemann, Chefarzt der Notfallambulanz am Klinikum Traunstein, den Ablauf.
Mit eingebunden in das Übungsgeschehen waren neben den BRK-Rettungskräften aus Traunstein (BRK Bereitschaften Traunstein, Fridolfing, Palling, Siegsdorf, Reit im Winkl, IuK – UG San EL, ELRD-Orgl Gruppe, Einsatzleiter WR als EAL, KIT), Mühldorf, Altötting und Berchtesgadener Land samt 18 Rettungsfahrzeugen und acht Notärzten, Unterstützungskräfte der Freiwilligen Feuerwehr Wolkersdorf, der Polizeiinspektion Traunstein und die Grenzpolizeiinspektion Piding mit der Betreuungsgruppe, des Malteser Hilfsdienstes sowie von Bergwacht und DLRG.
Zu Übungsbeginn hatte das Team um Barbara Horch, Leiterin der Gruppe für Notfalldarstellung beim BRK-Kreisverband Traunstein unterstützt von den Kollegen der Malteser, die rund 45 „Partygäste“ auf dem Baugelände realistisch hergerichtet: Zwischen Baggerschaufeln, Baumaschinen und Steinhaufen lagen Verwundete mit blutenden Platz- und Schnittwunden, offenen Brüchen oder auch zwei Schwerverletzte mit Brandwunden oder ohne Bewusstsein. Eine Frau mit Drogenvergiftung war schwer einsehbar hinter einem Kieshaufen zusammengebrochen. In schwieriger Lage befanden sich zwei junge Männer, die halbversteckt zwischen Eisenträgern und Mauern ein Polytrauma und Wirbelsäulenverletzung simulierten. Da viele der „Verletzten“ Schüler der Krankenpflegeschule waren, wirkten ihre zum Teil lautstarken Reaktionen sehr echt.
Ziel der ersten eintreffenden Rettungskräfte war es, sich im Rahmen einer Vorsichtung ein schnelles Lagebild der chaotisch anmutenden Situation zu verschaffen und die weitere Vorgehensweise zu koordinieren. Ein wichtiges Ziel war dabei auch, den Umgang mit der Verletztenanhängekarte zu üben. Anhand einer Checkliste konnten die Ersthelfer des Bayerischen Rotes Kreuzes schnell den Verletzungsgrad und die Versorgungsdringlichkeit feststellen, während die Notärzte gleich an Ort und Stelle die Erstversorgung der Verletzten vornahmen. Helfer der Freiwilligen Feuerwehr Wolkersdorf kümmerten sich parallel um mehrere Verwirrte unter Schock und brachten die Gehfähigen zu einer Sammelstelle.
Im Klinikum Traunstein koordinierten Chefarzt Prof. Dr. Kolja Gelse zusammen mit Oberärztin Kristina Dehm und ihrem Team die medizinische Versorgung im Zentrum für Operative Notfallkoordination, das in der Notfallambulanz eingerichtet wurde. „Gelber Patient, Beckenfraktur, Kreislauf stabil“, lautete die Anweisung bei der Einweisung einer Patientin auf der Rettungsliege. Die begleitenden Notfallsanitäter oder Notärzte schilderten kurz die Situation. Dehm fragte nach möglichen weiteren Verletzungen und prüfte per Handdruck auf Bauch und Becken, ob weitere Beschwerden vorliegen. Eine Krankenschwester notierte die Fakten auf Klebezettel. Ein ergänzender Zettel mit Strichcode ordnet Fall und Patient genau zu. Wo und wie die Patienten weiterbehandelt werden, zeigte die Übersicht auf einem Flipchart: „rot – Operation, gelb – Intensiv, grün – Station“ ist da zu lesen. Während die Einweisung im Minutentakt weiterläuft, lässt sich Unfallchirurg Dr. Gelse per Handy über die weitere Versorgung der schwer verletzten Patienten informieren.
Zum Teil waren die Teams parallel mit der Zuweisungsprozedur je nach Schweregrad beschäftigt. Für die Abklärung schwerer Polytrauma-Verletzungen und der Dringlichkeit der Behandlung werden die Patienten zuerst im Schockraum untersucht. Hier stehen unter anderem Beatmungs- und Ultraschallgeräte, Computertomograph und weitere Hilfen zur Verfügung. Die Untersuchung erfolgt nach dem standardisierten diagnostische und therapeutischen Handlungsablauf ATLS (Advanced Trauma Life Support).
Nach rund dreieinhalb Stunden waren alle Verletzten gut versorgt. Bei der abschließenden Einsatzbesprechung in der Berufsschule in der Wasserburger Straße zog BRK-Übungsleiter Robert Hauptenbuchner Bilanz: „Wir sind froh, dass wir nach zwei Jahren Corona wieder in solchen Dimensionen üben können. Mit den Ergebnissen und dem Ablauf der Übung an der Einsatzstelle sind wir sehr zufrieden. Erkannte Verbesserungsmöglichkeiten werden wir in die Schulung der haupt- und ehrenamtlichen Rettungskräfte einfließen lassen,“ erklärt der Leiterrettungsdienst des Roten Kreuzes Hr. Goess. Chefarzt Dr. Maximilian Wiedemann bilanzierte als Übungsleiter aus Kliniksicht: „Die Ersteinschätzung und unmittelbare Patientenversorgung hat recht gut funktioniert. Die Übung hat uns auch gute Informationen gegeben, wie man das Thema Registrierung und Dokumentation noch verbessern kann.“