Interview mit Markus Schlaffner, Vorstandsvorsitzender des BRK Kreisverbands Traunstein, geführt von Christian Hanreich, Mitglied und Angestellter im Bereich Bildung und Öffentlichkeitsarbeit
Christian:
Herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum Vorstandsvorsitzenden des BRK Traunstein. Wie fühlt es sich an, diesen Posten zu haben?
Markus:
Erstmal herzlichen Dank, Christian. Ich muss sagen, es erfüllt mich schon mit Stolz, dass mir die Mitglieder im März 2025 ein so starkes und eindeutiges Mandat mitgegeben haben. Gleichzeitig bin ich mir der Verantwortung bewusst gegenüber unseren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, unseren Mitarbeitenden und auch den Fördermitgliedern.
Was total schön ist: Man trifft auch nach über 20 Jahren immer wieder Leute, die einen kennen. Die Rotkreuz-Familie vergisst einfach keinen. So kann man an alte Zeiten anknüpfen und ein bisschen sinnieren – das macht Spaß.
Was nach wie vor so ist, auch nach 150 Tagen: Ich zucke manchmal zusammen, wenn mich jemand mit „Herr Vorsitzender“ oder lächelnd mit „Servus Chef“ anspricht. Da muss ich schmunzeln. Aber eines ist mir wichtig: Ich bin und bleibe der Markus.
Christian:
Was hat dich geritten? Warum wolltest du das werden?
Markus:
[lacht] Da gibt es zwei, drei Punkte. Zum einen hat mich mein Engagement im Jugendrotkreuz und in der Wasserwacht in meiner aktiven Zeit stark geprägt. Es hat mir brutal viel mitgegeben, was mir in meinem beruflichen Leben geholfen hat und immer noch hilft.
Da war der erste Punkt: Okay, ich möchte diesem Roten Kreuz etwas zurückgeben.
Das nächste war – Christian, du kennst mich – Herausforderungen ziehen mich förmlich an und motivieren mich. Ich habe da ein bisschen Feuer gehabt.
Und der dritte Punkt: Wenn man einmal das Rote Kreuz im Herzen hat, bringt man es nicht mehr los. Selbst in dieser Pause habe ich immer verfolgt, was läuft. Wenn ich mit meiner Familie an einem See oder in einem Schwimmbad war, hatte ich immer den Scanblick: Wo ist die nächste Wasserwachtstation? Und wenn ich sie gefunden habe, hatte ich ein Leuchten in den Augen. Meine Frau Carola hat irgendwann einmal gemeint: „Gell, das lässt dich nicht los.“ – Ich konnte ihr nicht widersprechen.
Christian:
Hattest du eine Pro-und-Contra-Liste? Habt ihr das in der Familie besprochen?
Markus:
Eine Pro-und-Contra-Liste im klassischen Sinn gab es nicht. Aber zwei Punkte waren wichtig: Nachdem ich familiär schon einmal richtig viel einstecken musste, war mir entscheidend, dass meine Frau Carola hinter der Bewerbung steht. Und dass das Amt nicht mit meinen beruflichen Aufgaben kollidiert.
Denn immerhin bin ich mit meinem Geschäftspartner für drei Standorte und inzwischen 33 Mitarbeitende verantwortlich. Das haben wir geklärt. Und letztendlich: Ich habe einfach Bock auf dieses Amt.
Christian:
Was macht dieses Amt für dich aus?
Markus:
Zum einen regelt die Satzung ganz klar die Aufgaben und die Grenzen eines Vorsitzenden. Aber jeder Vorsitzende lebt das auf seine Art. Für mich bedeutet es: Verantwortung übernehmen.
Der Kreisvorsitzende trägt die Gesamtverantwortung für die Ausrichtung des Kreisverbands – vom Rettungsdienst bis zum Katastrophenschutz, vom Sozialdienst bis zur Jugendarbeit. Der zweite Punkt ist, das Ehren- und Hauptamt stärker zu fördern. Da sind wir schon auf einem guten Weg, aber das muss weiter gestärkt werden.
Drittens: gemeinwohlorientiertes Handeln. Das Amt steht für gelebte Solidarität, Menschlichkeit und ist tief verwurzelt im gesellschaftlichen Engagement – Werte, die das Rote Kreuz ausmachen.
Und schließlich ist der Kreisvorsitzende die Vertretung nach außen – gegenüber Politik, Verwaltung, anderen Organisationen und der Öffentlichkeit. Letztlich ist er das Gesicht des Roten Kreuzes im Landkreis Traunstein.
Insgesamt ist das Amt – und das merkt man – eine Herzensangelegenheit. Es geht darum, Menschen zu helfen, Strukturen zu stärken und gemeinsam mit Ehrenamtlichen und motivierten Mitarbeitenden Hilfe zu leisten.
Christian:
Wo siehst du die größten Herausforderungen für den KV Traunstein in den nächsten Jahren?
Markus:
Die letzten Jahre wurde der Betrieb durch die Corona-Pandemie stark beeinflusst. Trotzdem konnten wir Weichen stellen. Zum Beispiel haben wir in Siegsdorf einen Rettungsdienststandort geschaffen – zunächst provisorisch. Er wird im größten Bauprojekt der jüngeren
Geschichte des Roten Kreuzes Traunstein, dem „Projekt 130“, seine neue Heimat finden. In unmittelbarer Nähe zur Autobahn, zur Polizei und zur Autobahnmeisterei entsteht dort ein neues Rotkreuz-Rettungszentrum. Wir sind gerade in den Endzügen der Bauleitplanung. Baubeginn ist voraussichtlich Mitte 2026.
Auch Sanierungen stehen an – Garagen, Wasserwachtshütten. Das kann der Kreisverband nicht allein stemmen, dafür brauchen wir staatliche Unterstützung.
Im Ehrenamt haben wir eine starke Struktur, aber es gibt Flecken im Landkreis, wo wir uns schwertun, Führungskräfte zu finden. Egal ob in der Bereitschaft, Wasserwacht oder im Jugendrotkreuz – da müssen wir Lösungen entwickeln.
Zudem fordern uns politische Lage, Umweltkatastrophen und die Häufung von Großschadensereignissen. Das bedeutet: Kostenträger müssen höhere Budgets bereitstellen, Beschaffungen effizienter abwickeln und Bürokratie abbauen. Da wurde in der Vergangenheit zu wenig getan, und das rächt sich jetzt. Hier sind wir gemeinsam mit Landesverband und Partnerorganisationen gefordert.
Auch intern müssen wir als Teil des Gesamtverbands Strukturen prüfen und gegebenenfalls anpassen. Wir suchen den Schulterschluss mit anderen Kreisverbänden – etwa bei der Fortbildung im Rettungsdienst.
Christian:
Zum Neubau in Siegsdorf: Werden die Mitarbeitenden in die Planungen einbezogen?
Markus:
Ja, sie sind bereits eingebunden, etwa bei der Bedarfsermittlung: Wie viel Fläche braucht die Ausbildung? Wie viele Garagen die Kreiswasserwacht? Wenn die Bauleitplanung abgeschlossen ist, geht es in die nächste Planungsphase, dann klären wir die Bedarfe noch genauer. Und danach folgt das Thema Finanzierung.
Christian:
Was bedeutet das Bayerische Rote Kreuz für die Menschen im Landkreis?
Markus:
Das BRK im Landkreis Traunstein ist unverzichtbar. Es ist für alle Lebenslagen da – Tag und Nacht, 24 Stunden. Egal ob Rettungsdienst an Land, im Wasser oder in den Bergen, soziale Arbeit, Jugendarbeit oder das große ehrenamtliche Engagement. Wir leisten nicht nur Hilfe, sondern bringen auch Zusammenhalt, Menschlichkeit und Sicherheit in die Region.
Christian:
Was möchtest du den Ehrenamtlichen am Anfang deiner Amtszeit mitgeben?
Markus:
Das soll keine Floskel sein: Unsere Ehrenamtlichen leisten einen unverzichtbaren Dienst am Nächsten. Wichtig ist mir, dass dabei der Spaß nicht verloren geht.
Manchmal weht uns ein eisiger Wind entgegen, aber ich bin überzeugt: Als Rotkreuz-Familie kann uns der Wind nichts anhaben.
Mir ist auch wichtig, dass Ehrenamtliche verstehen, wie wertvoll ihr Engagement für ihre soziale Kompetenz ist. Es gibt zahlreiche Fortbildungsangebote in Bereitschaft, Wasserwacht und Jugendrotkreuz. Gerade junge Ehrenamtliche können durch das Bildungsangebot ihre Persönlichkeit und ihren Werdegang stark prägen. Mich hat das selbst massiv geprägt – darum möchte ich noch mehr junge Erwachsene dafür gewinnen.
Christian:
Nochmal zum Ehrenamt: Hast du ein konkretes Anliegen?
Markus:
Ja – die Helfergleichstellung. Feuerwehrdienst ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen. Aber Bereitschaften oder Wasserwacht – die gibt es halt, und wenn sie gebraucht werden, sind sie da. Das ist eine Ungerechtigkeit sondergleichen. Selbst in 20 Jahren Pause hat es die Politik nicht geschafft, hier etwas zu ändern. Im Oktober werden wir das Thema wieder mit der Landespolitik ansprechen.
Christian:
Wie stellst du dir die Zusammenarbeit mit den Gemeinschaften auf Ortsgruppenebene vor?
Markus:
Da muss ich schmunzeln. Vor mir hatten die Vorsitzenden wenig Interesse an den Ortsgruppen. Ich sehe das anders. Als Vorsitzender bin ich Kopf, Repräsentant und in der Öffentlichkeit – also möchte ich auch wissen, was vor Ort los ist, und meine Impulse einbringen.
Konrad Schupfner hat da schon erste Schritte gemacht, und ich baue darauf auf. Mir ist egal, ob Haupt- oder Ehrenamt, egal welche Gemeinschaft: Ich hole alle ins Boot. Das hat bisher überrascht, aber es ist der richtige Weg.
Christian:
Hans-Michael Weisky sagte mir, dass sich das Selbstverständnis von Vorstandsarbeit stark gewandelt hat. Wie stehst du dazu?
Markus:
Ich habe noch nicht mit vielen Vorstandskollegen zusammengearbeitet, aber ich finde das wichtig. Ein Vorsitzender, der nur vorne steht und winkt, reicht nicht. Dafür sind Haupt- und Ehrenamt zu wertvoll. Wertschätzung bedeutet: sich interessieren, zuhören, gemeinsam Lösungen entwickeln.
Christian:
Das Rote Kreuz gehört zu den großen Arbeitgebern im Landkreis. Was bedeutet diese Verantwortung für dich?
Markus:
Ich bin froh, eine starke Kreisgeschäftsführung mit Andreas Richter und seinen Stellvertretern Thorsten Brandstetter und Jakob Goëss an meiner Seite zu haben. Dadurch kann ich Verantwortung abgeben, denn ich bin nicht im Tagesgeschäft.
Trotzdem habe ich für Haupt- wie Ehrenamtliche ein offenes Ohr. Mir war es wichtig, mich vorzustellen – beim KV-Fest hat es leider nicht geklappt, aber zumindest konnte ich einen kleinen Einstand beisteuern. In der Verwaltungsbesprechung war ich dann dabei. Wichtig ist mir, dass sich Mitarbeitende wohlfühlen, ihren Stärken entsprechend eingesetzt und gefördert werden.
Christian:
Wie sollen sich die Mitarbeitenden weiterentwickeln können?
Markus:
Wir machen schon viel für motivierte Führungskräfte und Nachwuchskräfte in Aus- und Fortbildung. Wir haben viele langjährige Mitarbeitende. Entwicklungsmöglichkeiten zeigen sich, etwa in der Verwaltung oder im Rettungsdienst: Ausbildung, Servicestelle, Wachleitung.
Es gibt immer etwas zu verbessern, aber insgesamt sind wir gut aufgestellt.
Christian:
Stichwort Fachkräftemangel: Spürt ihr den im BRK Traunstein?
Markus:
Im Hauptamt haben wir aktuell noch keine Nachwuchsprobleme. Aber ein Problem ist: Wir bilden Notfallsanitäter sehr qualifiziert aus – und sie werden dann von Industrie, Krankenhäusern oder Privatunternehmen mit höheren Löhnen abgeworben. Wir sind an die Tarife gebunden, das ist oft ein Klotz am Bein.
Christian:
In den 90er Jahren, zu meiner aktiven Zeit im Rettungsdienst und bei der Wasserrettung, standen Haupt- und Ehrenamt sich eher skeptisch gegenüber. Wie siehst du das heute?
Markus:
Bei uns ist die Grenze nicht so massiv. Viele Hauptamtliche sind zusätzlich ehrenamtlich aktiv, etwa in Wasserwacht, Bergrettung oder im JRK. Wir haben sogar den Sonderfall, dass ein hauptamtlicher Mitarbeiter ehrenamtlich Kreisbereitschaftsleiter ist – dafür brauchten wir eine Sondergenehmigung.
Das KV-Fest und ähnliche Formate tragen dazu bei, dass Grenzen zwischen Haupt- und Ehrenamt verschwimmen.
Christian:
Eine typische Bewerbungsfrage: Wo siehst du den KV in fünf Jahren?
Markus:
In fünf Jahren sehe ich den KV Traunstein als modernen, gut vernetzten, in der Region fest verankerten Wohlfahrtsverband, der mit hoher fachlicher Qualität von Ehren- und Hauptamtlichen den Herausforderungen begegnet.
Wir werden digitaler, nachhaltiger, flexibler arbeiten – und die Bedürfnisse der Menschen besser erkennen und bedienen.
Ich wünsche mir, dass wir in fünf Jahren weiterhin eine starke Gemeinschaft sind, in der sich alle Generationen mit Herz und Respekt engagieren. Und: Dass wir unseren Standort in Siegsdorf eingeweiht haben.
Christian:
Wie können die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis das BRK unterstützen?
Markus:
Ich wünsche mir, dass sie das BRK nicht nur als Helfer in der Not sehen, sondern als Teil unserer Gemeinschaft – angewiesen auf Unterstützung durch Engagement, Mitgliedschaften, Spenden oder auch einfach Wertschätzung.
Am besten unterstützen uns die Menschen, indem sie mitmachen: Sanitätsdienst, Wasserwacht, Jugendrotkreuz, Wohlfahrt und Soziales, Blutspenden oder Fördermitgliedschaft. Jede und jeder kann einen Beitrag leisten.
Christian:
Zum Schluss: Dein direktes Wort an die Rotkreuzler:innen und die Menschen im Landkreis.
Markus:
Danke, dass Sie Teil unseres Roten Kreuzes sind oder uns mit Vertrauen begegnen. Das Rote Kreuz lebt vom Miteinander, vom Einsatz der Ehrenamtlichen, der Professionalität der Hauptamtlichen und der Unterstützung der Bevölkerung.
Nur gemeinsam können wir Menschlichkeit leben, Hilfe leisten und Sicherheit geben für alle, die uns brauchen. Bleiben wir verbunden, engagiert und offen füreinander.
Christian:
Danke dir, Markus, für das ausführliche Gespräch.
Markus:
Danke, Christian.